COVID-19-Pandemie – Auswirkungen auf Bau- und Architekten-/Ingenieurverträge

Das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht sieht für Bau- und Architekten-/Ingenieurverträge keine gesonderten Regelungen vor.

Zweifellos wird die Corona-Pandemie aber auch Auswirkungen auf die Planung und Durchführung von Bauvorhaben haben. Da zur rechtlichen Bewertung der Auswirkungen auf Bauprojekte nicht auf einen Fundus an gefestigter Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann, verbietet sich eine streng schematische allgemeingültige Beurteilung. Vielmehr wird stets den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles, insbesondere konkreten tatsächlichen Umständen und vertragsrechtlichen Regelungen, Rechnung getragen werden müssen.

Zudem wird das für Bauverträge grundsätzlich geltende bauvertragliche Kooperationsgebot zu berücksichtigen sein. Als Langzeitvertrag, zu dessen Durchführungsgelingen die Parteien auf gegenseitige informative, kommunikative und tätige Mitwirkungen angewiesen sind, besteht für die Vertragsparteien die beiderseitige Verpflichtung zur Kooperation während der Vertragsdurchführung. Grob skizziert dazu nachfolgende Hinweise:

 

1. Vorrang der vertraglichen Regelungen / Verträge mit „Force Majeure“-Klauseln

Sofern Bau- und Architekten-/Ingenieurverträge eine sog. Force-Majeure-Klausel für unvorhergesehene Ereignisse, Höhere Gewalt oder ähnliches enthalten, kommt es für deren Anwendung und Wirksamkeit zunächst auf deren konkreten – gegebenenfalls auslegungsfähigen – Wortlaut und die dazu in der Klausel geregelten Rechtsfolgen an. Häufig regeln Force-Majeure-Klauseln neben den Rechtsfolgen auch konkrete Hinweis-/Anzeigepflichten und Form- bzw. Fristvorgaben.

 

2. Verträge ohne „Force Majeure“-Klauseln / VOB/B- und BGB-Verträge

Für Bauverträge auf Basis der VOB/B kommt vor allem die Anwendung der Regelungen zur Behinderung und Unterbrechung der Ausführung in § 6 VOB/B in Betracht. Teilweise dürften die dortigen Vorgaben bzw. Wertungen und Rechtsfolgen auf BGB-Bauverträge sinngemäß übertragbar sein, sei es als Ausfluss der Kooperationsverpflichtung sei es im Wege der Vertragsanpassung/-ergänzung.

Im Übrigen sind vor allem die allgemeinen gesetzlichen Regelungen zur unzumutbaren Störung oder gar Unmöglichkeit (§ 275 BGB) und die Regelungen zum Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) in Betracht zu ziehen. Im Einzelfall können gegebenenfalls auch die Regelungen zur Mitwirkung des Bestellers (§§ 642 f. BGB) und Kündigung aus wichtigem Grund (§ 648a BGB) einschlägig sein.

 

a) Behinderungen, Unterbrechungen und Ausführungsfristen

Generell gilt, dass Baustellen möglichst weiter betrieben und erst eingestellt werden sollen, wenn behördliche Maßnahmen dazu zwingen oder aufgrund behördlicher Maßnahmen ein sinnvoller Weiterbetrieb nicht mehr möglich ist.

Die Corona-Pandemie ist grundsätzlich geeignet, den Tatbestand der höheren Gewalt im Sinne von   § 6 Abs. 2 Nr. 1.c VOB/B auszulösen und eine Verlängerung der Ausführungsfristen zu bewirken. Dies ist vom Auftragnehmer jedoch stets einzelfallbezogen darzulegen und ggf. zu beweisen. Ein pauschaler Verweis auf die Corona-Pandemie ist nicht ausreichend.

Die Behinderung ist dem Auftraggeber grundsätzlich unverzüglich schriftlich anzuzeigen, ebenso deren Wegfall. In der Behinderungsanzeige, ob nach § 6 VOB/B oder auf Basis der allgemeinen Kooperationsverpflichtung, sind Ursache und Auswirkungen der Behinderung konkret und aussagekräftig darzulegen. Parallel dazu ist es angezeigt, die hindernden Umstände, deren Dauer und Folgen aussagekräftig zu dokumentieren.

Eine vollständige Unterbrechung der Baustellentätigkeit dürfte als ultima ratio nur in begründeten Ausnahmefällen gerechtfertigt sein.

Für Architekten-/Ingenieurverträge, sprich Planer, hat die Corona-Pandemie zur Konsequenz, dass die Fristen- und Terminplanung fortlaufend zu aktualisieren, koordinieren und anzupassen ist.

 

Vertragsstrafen

Vertragsstrafen können nicht in Anspruch genommen werden, wenn die Frist-/Terminüberschreitung auf einer vom Auftragnehmer nicht zu vertretenden Ursache / Behinderung beruht.

 

b) Kündigungen

Außerordentliche Kündigungsrechte des Auftraggebers nach § 8 Abs. 3 VOB/B bzw. des Auftragnehmers nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B können ausscheiden, weil infolge höherer Gewalt kein Verzug des Auftragnehmers bzw. kein Annahmeverzug des Auftraggebers vorliegt.

Ebenso kann bei höherer Gewalt ein Kündigungsrecht des Auftragnehmers nach §§ 642, 643 BGB wegen unterlassener Mitwirkung des Auftraggebers ausscheiden.

Bei VOB/B-Verträgen kommt, wenn die Unterbrechung der Ausführung länger als 3 Monate dauert, zwar grundsätzlich eine Kündigung nach § 6 Abs. 7 VOB/B in Betracht. Bei bloßen Verzögerungen      oder Erschwernissen der Bauausführung ist diese Kündigungsmöglichkeit hingegen nicht eröffnet.

Das für beide Vertragsparteien in Betracht kommende Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund gem. § 648a BGB kann im Einzelfall eröffnet sein. In diesem Zuge wird aber auch und ggf. sogar insbesondere bei Corona-Pandemie-Auswirkungen das bauvertragliche Kooperationsgebot berücksichtigt werden müssen. Von einer voreiligen Kündigung des Vertragsverhältnisses ist daher abzuraten. Vorrangig wird an eine Vertragsanpassung gedacht werden müssen. Nur in absoluten Ausnahmefällen, wenn eine vertragliche Anpassung nicht mehr möglich und ausreichend ist, dürfte eine Beendigung des Vertrages wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht kommen.

Das jederzeitige Recht des Auftraggebers zur ordentlichen, sog. freien Kündigung des Vertrages nach § 8 Abs. 1 VOB/B bzw. § 648 BGB mit den daran anknüpfenden weitreichenden Vergütungsfolgen bleibt unberührt.

 

c) Schadensersatz, Entschädigungen, Zahlungsverpflichtungen und finanzielle Folgen

Bei höherer Gewalt wird der jeweils betroffenen Partei in der Regel kein Verschulden vorgeworfen werden können. Schadensersatzansprüche wegen Verzug des Auftragnehmers bzw. Annahmeverzug des Auftraggebers werden in diesem Fall daher regelmäßig ausscheiden.

Die Voraussetzungen für eine Entschädigung wegen fehlender Mitwirkung des Auftraggebers nach     § 642 Abs. 2 BGB dürften in der Regel ebenfalls nicht vorliegen. Das gilt beispielsweise auch dann, wenn ein Vorgewerk infolge höherer Gewalt nicht rechtzeitig erbracht und das Nachfolgegewerk deshalb in der Ausführung behindert wird. In Ausnahmefällen mag hier etwas anderes gelten.

Die erforderliche Wiederholung von Grundleistungen des Planers z. B. wegen erneuter Ausschreibung nach Ausfall eines Bauunternehmers oder wegen mehrfacher Terminplanungen oder (unverschuldeter) verspäteter Zuarbeit von Beiträgen der an der Planung fachlich Beteiligten kann ggf. berechtigte Mehrhonorarforderungen des Planers auslösen.

Das eigene Finanzierungs- und Liquiditätsrisiko hat jede Vertragspartei selbst zu tragen. Schwierigkeiten bei der Finanzierung des Bauvorhabens oder Liquiditätsengpässe infolge der Corona-Pandemie stellen isoliert betrachtet keinen Kündigungsgrund des Auftraggebers dar. Kündigungen wegen Zahlungsverzuges kommen daher weiterhin in Betracht.

 

d) Sicherheit und Hygiene auf der Baustelle

Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz haben generell Priorität auf der Baustelle. Verantwortlich sind sowohl der Auftraggeber als auch der Auftragnehmer. Hier kommen beispielsweise Anpassungen der Hygieneausstattungen, Anpassung / Entzerrung der Arbeitsabläufe, kleinere Teams mit fester Besetzung, ggf. Schichtbetrieb u. a., in Betracht.

Hat ein Planer die Funktion des Sicherheits- und Gesundheitskoordinators (SiGeKo) übernommen, wird er seinen Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan anpassen müssen.

 

3. Abschluss neuer Verträge

Da die Corona-Pandemie nicht mehr als „unvorhersehbar“ betrachtet werden kann, sollte beim Abschluss neuer Verträge darauf geachtet werden, ob diese spezielle „Corona-Klauseln“ enthalten und welche Auswirkungen diese auf die vertraglichen Frist-/Terminvereinbarungen und etwaige Verlängerungsansprüche besitzen. Es kursieren dazu inzwischen die unterschiedlichsten Vorstellungen und Klausel-Vorschläge, deren Angemessenheit und Praktikabilität vorhabenbezogen zu prüfen ist.

 

Haben Sie dazu weitergehende Fragen oder benötigen Sie Unterstützung bei der Realisierung Ihres Projekts, unterstützen Sie unsere baurechtlich spezialisierten Rechtsanwälte dabei gerne.

 

Zuständige Anwälte

Zu allen Fragen im Bau- und Architektenrecht kontaktieren Sie bitte unsere Kollegen

Manfred Jaekel

Erika Röschmann

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